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Raus aus der Nische – Leichte Sprache überall

Annika Nietzio ist Diplom-Mathematikerin und seit fast 10 Jahren verantwortlich für den Bereich Leichte Sprache bei der Agentur Barrierefrei NRW.

 

Was haben Mathematik und Leichte Sprache gemeinsam?

 

Annika Nietzio: Kurz gesagt: Die Klarheit. In der Mathematik geht es darum, Sachverhalte klar und eindeutig zu beschreiben. Genau das tut die Leichte Sprache auch. Füllwörter oder andere Dinge, die etwas unnötig kompliziert machen, kommen nicht vor. Stattdessen geht es um klare Strukturen und nachvollziehbare Gedankengänge.

Foto von Annika Nietzio
Annika Nietzio

Was finden Sie an Ihrer Arbeit besonders interessant?

Annika Nietzio: Es ist jedes Mal wieder eine Herausforderung, ein neues Thema oder neue Information in Leichter Sprache zugänglich zu machen. Es macht mir Spaß, den Menschen zu vermitteln, was mit Leichter Sprache alles möglich ist. Wir können viele Kommunikationsbarrieren abbauen und über alle Themen in Leichter Sprache schreiben oder sprechen. Dazu braucht es Geduld und Einfallsreichtum und manchmal auch Mut und ungewöhnliche Herangehensweisen.

Die Leichte Sprache wurde in den 1990er Jahren vom Verein Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland – ins Leben gerufen und dann vom Netzwerk Leichte Sprache weiterentwickelt. Seitdem hat sich Vieles geändert. So sind deutsche Behörden verpflichtet, Informationen auch in Leichte Sprache anzubieten. Für eine gesamtgesellschaftliche Teilhabe ist es allerdings noch ein weiter Weg. Im übertragenen Sinne: Bei welchem Meilenstein befinden wir uns gerade?

Annika Nietzio: Leichte Sprache ist als wichtiges Angebot der Barrierefreiheit nicht mehr wegzudenken. Leichte Sprache hat sich etabliert als das Mittel, um Informationen für eine Vielzahl von Menschen und vor allem für Menschen mit Lernschwierigkeit zugänglich zu machen. Die Regeln und Empfehlungen für Leichte Sprache sind weit entwickelt. Es gibt viel Wissen und Erfahrungen, wie Informationen in Leichter Sprache erstellt und veröffentlicht werden können.

Welche Herausforderungen gilt es noch zu nehmen?

Annika Nietzio: Informationen in Leichter Sprache gibt es noch nicht flächendeckend in allen Bereichen. Die größte Herausforderung sehe ich darin, noch mehr Informationen bereitzustellen – und gerade auch digitale Angebote wie Websites und Apps mit Leichter Sprache auszustatten. Dazu gehört auch, dass die Menschen aus der Zielgruppe selbst entscheiden, welche Infos sie brauchen.

Worauf sind Sie stolz? Sind beispielsweise wichtige Arbeiten gerade fertig geworden?

Annika Nietzio: Ich habe an dem Standard „DIN SPEC Empfehlungen für Deutsche Leichte Sprache“ mitgearbeitet. Das war ein langer Prozess über mehrere Jahre. Der erste öffentliche Entwurf liegt nun vor. Im Laufe des Jahres werden die Empfehlungen fertiggestellt und veröffentlicht. Das ist ein wichtiger Schritt. Die Leichte Sprache bekommt dadurch in vielen Bereichen (zum Beispiel in Politik, Verwaltung und auch im Privatsektor) ein größeres Gewicht und mehr Rückendeckung.

Was wünschen Sie sich für die Leichte Sprache in diesem Jahr?

Annika Nietzio: Ich wünsche mir, dass Leichte Sprache noch selbstverständlicher wird. Dass es selbstverständlich ist, dass es überall Informationen und Beratungsangebote in Leichter Sprache gibt. Und dass diese auch selbstverständlich genutzt werden, ohne dass die Personen sich dabei stigmatisiert fühlen oder es ihnen peinlich ist. Mit anderen Worten: Ich wünsche mir, dass Leichte Sprache als eigenständige Kommunikationsform überall ernst genommen wird.

-- aus unserem Newsletter April 2023 --

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